“INDONESIEN? Was geht uns das an?”

Reportage für ORF Konkret, 2016

 

Seife, Tiefkühlpizza, Schokolade - in über der Hälfte aller Produkte, die wir täglich verwenden, steckt ein und derselbe Rohstoff. Palmöl. Es ist das begehrteste Pflanzenfett der Welt und aus unseren Konsumprodukten scheinbar nicht mehr wegzudenken. Fast die Hälfte des weltweiten Bedarfs wird auf riesigen Plantagen in Indonesien produziert. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen unseres Konsums sind verheerend.

Indonesien, das weitläufige Inselparadies im Indischen Ozean. Bekannt für seine traumhaften Sandstrände und üppigen Regenwälder mit einer weltweit einzigartigen Flora und Fauner. Ungebändigte Flüsse ziehen sich durch die Landschaft, grün und fruchtbar leuchten die Reisfelder. So stellt man sich das Land vor, dass mittlerweile eines der beliebtesten asiatischen Reiseziele ist.

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Aber auch das ist Indonesien. Brennender Regenwald und kilometerlang gerodete Waldflächen für nur einen Zweck. Palmöl.

Kilometer um Kilometer reiht sich auf der Insel Sumatra eine Ölpalme an die Nächste. Die Palmfrüchte werden per Hand geerntet. Bis zu 50 Kilogramm ist so ein Bündel schwer. Die Früchte hinterlassen einen öligen Film auf den Fingern. Sie müssen innerhalb weniger Stunden vom Feld in die Fabrik gebracht und verarbeitet werden.

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Kein Land der Welt produziert so viel Palmöl wie Indonesien, fast die Hälfte des weltweiten Bedarfs wird hier hergestellt. 70 % davon gehen in den Export nach Europa. Die Anbauflächen für das begehrte Pflanzenöl haben sich in den letzten Jahren verzehnfacht, mit verehrenden Auswirkungen.

Jeder Kleinbauer, der früher von der Subsistenzwirtschaft gelebt hat, erzählt auf Sumatra die gleiche Geschichte. Ihre Landwirtschaften liegen brach, die umliegenden Plantagenbesitzer haben sie im wahrsten Sinne des Wortes ausgetrocknet.

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Die Palmplantagen breiten sich aber nicht nur auf den landwirtschaftlichen Flächen der lokalen Bevölkerung aus. Die größten Gebiete werden durch Rodung des Regenwaldes erschlossen. Kaum ein Land vernichtet seine Wälder so schnell wie Indonesien.

Und das, obwohl der Regenwald hier als einer der artenreichsten der Welt gilt. Seltene Tier- und Pflanzenarten sterben aus und indigene Völker werden vertrieben.

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In Indonesien leben über hundert verschiedene, teils noch unbekannte indigene Völker. Da sie kein tatsächliches Recht auf Land besitzen, werden sie immer weiter zurückgedrängt.

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Liljik ist ein Waldnomade vom Stamm der Suku Anak Dalam. Er hat eigentlich keinen festen Wohnsitz und betreibt auch keine Landwirtschaft, trotzdem ist er von den Palmplantagen betroffen. Sein Stamm lebt von der Jagd und von wilden Pflanzen, die sie im Wald sammeln.

Seit 2005 brennt es hier in dieser Gegend jedes Jahr. Im vergangenen Jahr war es besonders schlimm, weil die Trockenzeit so lange andauerte. Innerhalb von zwei Monaten wurden hier 1,8 Millionen Hektar Regenwald verbrannt.

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Eine halbe Million Menschen musste wegen Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus und sogar der Flugverkehr über Sumatra wurde eingestellt. Internationale Beobachter bezeichnen die Waldbrände im vergangenen Jahr als die bisher größte Ökokatastrophe des 21. Jahrhunderts.

Regenwälder auf Torfmoorböden sind gigantische Kohlenstoffspeicher. Werden sie trockengelegt oder in Brand gesetzt, entstehen tonnenweise Treibhausgase. Die CO2 Emissionen Indonesiens übertreffen daher teilweise die der gesamten Industrie der Vereinigten Staaten und das hat Auswirkungen auf das Klima weltweit.

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12 Millionen Hektar Wald wurden bisher gerodet, um Platz für neue Plantagen zu schaffen. Das entspricht einer Fläche von 300 Fußballfeldern täglich. Die ökologischen und sozialen Folgen sind katastrophal, doch ein Ende ist nicht in Sicht, denn Indonesien plant die Produktion von Palmöl bis 2030 sogar noch zu verdoppeln.

Für Indonesien bedeutet Palmöl in erster Linie wirtschaftlichen Fortschritt. Und so lang das weltweite Verlangen nach dem billigen Fett ungebremst bleibt, wird wohl weiter Wald gerodet, um noch mehr Palmen zu pflanzen.

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Diese Reportage ist gemeinsam mit GLOBAL 2000 und Südwind entstanden. Ich durfte die zwei NGOs bei einer Studienreise im Rahmen des EU-Projekts Supply Cha!nge im Sommer drei Wochen lang nach Indonesien begleiten.

Fast 14 Kilogramm Palmöl konsumiert jeder Österreicher und jede Österreicherin im Schnitt pro Jahr. Neben Lebensmitteln wie Margarine, Nutella, Kekse, Schokolade, Tiefkühlpizzen und anderen Fertigprodukten wird das Pflanzenfett auch in Kosmetika und Pflegeprodukten, sowie in Putz- und Reinigungsmitteln verarbeitet. Europaweit gesehen fließt fast die Hälfte des importierten Öls als Biodiesel in die Tanks unserer Autos. Vielen Konsumenten ist gar nicht bewusst, wie viel Palmöl sie tatsächlich verbrauchen.

Jede Reportage beginnt mit der Recherche. Man besorgt sich Fachliteratur, liest sich in das Thema ein und kratzt alles an Informationen zusammen, was das Internet hergibt, um mit einem möglichst guten Vorwissen an den Ort des Geschehens zu reisen. Und dann kommt man, wie in meinem Fall, in Sumatra an und ist trotzdem vollkommen überwältigt.

Ich habe schon große Plantagen in verschiedenen afrikanischen Ländern gesehen. Orangen-, Zuckerrohr- und Sojafelder in Brasilien, aber das Ausmaß der indonesischen Palmölplantagen übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Soweit man schaut nur Palmen.

Stundenlang fährt man auf der Insel Sumatra nur an Ölpalmen vorbei. Auf der Straße begegnen einem hin und wieder Mopeds – ansonsten nur LKW, die bis oben hin voll beladen sind mit Palmfrüchten – und das Tag und Nacht.