“Wie fair ist Fairtrade?”

Reportage für ORF Konkret, 2018

 

Die Idee klingt verlockend. Wer nur ein paar Cent mehr, zum Beispiel für Kaffee ausgibt, macht die Welt ein kleines Stückchen besser. Irgendwo, weit weg, geht es dann einem Bauern der Kaffee anbaut, erntet und für den Export verarbeitet besser. Weil er seine Produkte als Fairtrade verkauft. Aber stimmt das tatsächlich?

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Äthiopien ist das Ursprungsland des Kaffees. Hier kommt die Arabica Bohne her. Im Hochland auf über 1000 Höhenmeter reift der Kaffee im Schatten großer Bäume. Über holprige und schlecht ausgebaute Straßen fahren wir von der Hauptstadt Addis Abeba etwa acht Stunden in die großen Kaffeeanbaugebiete.

Äthiopien hat eine tief verwurzelte Kaffee Kultur, er ist einer der wichtigsten Exportgüter des Landes und darauf sind die Bauern sehr stolz.

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Der Legende nach ist der Kaffeestrauch nach der äthiopischen Provinz Kaffa im Südwesten des Landes benannt. Ein Hirte hat beobachtet wie seine Ziegen, nachdem sie die roten Früchte eines bislang unbekannten Strauches gefressen haben, unruhig und schlaflos wurden.

Wir sind im Gebiet der Oromia Coffee Union. Zu ihr gehören 405 Kooperativen in denen sich 435.000 Kaffeebauern zusammengeschlossen haben.

In den Wintermonaten herrscht Hochbetrieb, es wird gerade geerntet. Ausschließlich per Hand.

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Die Bauern hier in der Gegend besitzen zwischen einem halben und maximal 5 Hektar Land. Bedhaso Denbi ist mit 5 Hektar einer der größeren Bauern. Als er sich entschied seine Kaffeeproduktion auf Bio und Fairtrade umzustellen musste er eine Reihe an Auflagen in Kauf nehmen. Soziale wie ökologische, es dürfen etwa keine Pestizide eingesetzt werden. Für seine Landwirtschaft bedeutet das mehr Aufwand für weniger Ertrag. Die Bauern erhoffen sich aber mit solchen Zertifizierungen einen besseren Preis für ihren Kaffee erwirtschaften zu können.

Genug verdienen sie aber trotzdem nicht. Das Problem: Wenn die Bauern ihre Kaffeekirschen verkaufen bekommen sie zunächst nur den offiziellen Weltmarktpreis bezahlt, der ist für alle gleich egal ob Fair Trade oder nicht

Beim Ernten muss genau darauf geachtet werden, dass nur die wirklich reifen, roten Kaffeetischen gepflückt werden und keine grünen oder fauligen. Jede einzelne Frucht wird genau kontrolliert, nur so kann man beste Qualität garantieren.
— Bedhaso Denbi, Kaffeebauer
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Heute hat Bedhaso Denbi Glück, er bekommt 16 Birr für ein Kilo, umgerechnet etwa 50 Cent – ein vergleichsweise guter Preis. Einmal im Jahr bekommt er zusätzlich noch eine Dividende ausbezahlt, je nachdem wie viel seines Kaffees auch als Fairtrade verkauft werden konnte. Das bedeutet 2 Birr, also 6 Cent extra pro Kilo. Insgesamt 2800 € hat Bedhaso letztes Jahr verdient, davon muss er seine Landwirtschaft in Schuss halten, Arbeiter bezahlen und seine 15 Kinder versorgen.

Auch für Samuel Boru und Zenabua Tadesse sind die niedrigen Kaffeepreise problematisch. Zu zweit verdienen sie nur etwas 1200 € im Jahr. Weil das Einkommen aus dem Kaffee nicht reicht bauen sie noch Gemüse an und schlachten hin und wieder eine Ziege um sie am lokalen Markt zu verkaufen.

Einen großen Vorteil sehen die Kaffeebauern in Fairtrade aber trotzdem: Die Sozialprojekte.

Da Kaffee aber eines der wichtigsten Agrargüter im globalen Nord Süd Handel ist, weltweit werden jährlich mehr als 9,5 Milliarden Kilo Kaffee gehandelt und der Bedarf steigt. Versucht man mit Nachhaltigkeitsprojekten den Fortbestand der Kaffeeproduktion zu sichern, in dem man etwa neue Kaffeesetzlinge zieht die gut wachsen und resistent sind gegen Klimaveränderungen. Die Bauern bekommen diese gratis, das soll sie motivieren ihre Plantagen immer wieder zu erneuern, damit die Produktion auch in Zukunft gesichert ist.

Nach der Ernte wird der Kaffee direkt am Feld weiterverarbeitet. Zunächst muss maschinell das rote Fruchtfleisch von den Bohnen getrennt werden. Dann wird er gewaschen. 8 Stunden am Tag arbeiten die Menschen hier. Die Arbeiter sind meist Tagelöhner und bekommen pro Arbeitstag nur etwa 30 Birr bezahlt. Umgerechnet 90 Cent, das ist selbst in Äthiopien unter der Armutsgrenze.

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Bei Fairtrade gibt es zwei Förderungsmodelle, das eine sind Plantagen, hier muss gewährleistet sein, dass Arbeiter fair entlohnt werden. Im anderen Modell, wie hier beim Kaffee, stehen die Kleinbauern im Fokus, wie die Bedingungen der Arbeiter kann dabei nur bedingt berücksichtig werden, aber man versucht dafür in Zukunft eine Lösung zu finden, erklärt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich.

Zurück in Addis Abeba. Der Kaffee ist nicht nur ein Export- sondern auch ein Kulturgut der Äthiopier. Im Land bleibt allerdings nur der sogenannte Rejected Coffee, also die schlechte Qualität. Der hochwertige Kaffee muss zu 100 % exportiert werden. Und zwar nur Rohkaffee, geröstet werden darf die Exportware von den meisten Kaffeeproduzenten derzeit per Gesetz noch nicht, obwohl man daran mehr verdienen könnte.

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Die Oromia Coffee Union produziert etwa 300.000 Tonnen Kaffee pro Jahr. Hier in der Fabrik in Addis Abeba wird noch einmal die Qualität der Kaffeebohnen geprüft, bevor sie in die ganze Welt verkauft werden. Sie sind komplett Bio und Fairtrade. Da die Nachfrage nach solchen zertifizierten, und daher auch teureren Kaffees am internationalen Markt aber noch nicht so hoch ist, kann nur etwas mehr als die Hälfte davon auch zu dem höheren Preis exportiert werden. Der Rest muss billiger verkauft werden.